Der Ur-Hund

Als der Herr das Tier erschaffen –

Fische, Vögel, Rindvieh, Affen –

und mit Klugheit und Bedacht

herrlich aus dem Nichts gemacht,

kommt es zum Aha-Erlebnis.

Denn das Schöpfungsendergebnis

nach sechs Tagen Arbeitswut,

das ist überraschend gut.

 

Was dem Globus jetzt noch fehlt,

ist der Mensch, der ihn beseelt.

„Adam schaff ich mir bequem“,

so beschließt der Herr, „aus Lehm.

Und damit er als Solist

nicht womöglich einsam ist,

schenk ich ihm aus diesem Grund

gleich zum Einstand einen Hund.

Dieser soll von vornherein

etwas ganz Besondres sein,

quasi meiner Fauna Krone.

Ohne Skizze und Schablone

muss ich mich, ihn zu kreieren

selbst erst gründlich inspirieren.

Das erfordert viel Geschick,

plan ich doch ein Meisterstück:

einen Hund, der unumschränkt

seinem Herrchen Liebe schenkt.

 

Aus dem reinem Nichts gemacht

und gekonnt in Form gebracht,

muss er erstens stubenrein,

folgsam und verlässlich sein,

brav, bescheiden, nicht durchtrieben,

muss auch and‘re Tiere lieben –

bis auf die bewusste Schlange,

doch davor ist mir nicht bange,

denn der Baum, das kommt hinzu,

ist auch für den Hund tabu.

 

 

Text und Bild: Hannelore Nics, Wien

Veröffentlichungen  im Mariposa Verlag 

 Zweitens soll er Hütepflichten

stets gewissenhaft verrichten

und es strikt dabei vermeiden,

sich hier stimmlich zu vergeuden.

Niemand schätzt Gebell nach Noten –

das ist pfui und streng verboten!

 

Drittens will ich, dass er liebt,

was man ihm zu fressen gibt.

Klares Wasser soll er schlabbern,

zwischendurch an Keksen knabbern

und, sollt‘ ihn das Herrchen rügen,

reuig ihm zu Füßen liegen.

 

So ein Kumpel, so ein treuer,

stets erpicht auf Abenteuer,

schlank, bepelzt und durchtrainiert

und zugleich empathisch, wird

immer nur sein Herrchen sehen,

wird selbst Herrchens Schmerz verstehen,

muss er doch auch trösten können.

Und sollt‘ Adam einmal flennen,

wischt er ihm per Zungenschleck

kurzerhand die Tränen weg.“

 

Prompt folgt diesem Plan die Tat.

Schon flitzt Adams Kamerad

durch den Paradiesesgarten,

um sein Herrchen zu erwarten.

Adam, noch vom Lehm verkleistert,

ist von seinem Hund begeistert,

doch als er ihn rufen will,

ist es aus mit dem Idyll,

denn der Hund hat keinen Namen.

„Na, das war’s dann. Fertig. Amen!“,

brummt der Mann. Gott aber lacht:

„Tja, dran hab ich nicht gedacht.

Soll der Hund dich anerkennen,

musst du ihn beim Namen nennen.

Das wird euch zusammenschweißen.

Vorschlag: Er soll Merlin heißen.“